Kalt und verregnet ist es, als wir das eindrucksvolle Gewölbe des Wächterhauses auf der Inneren Weberstraße Zittau betreten. Egmond vom Freiraum Zittau e.V. nimmt uns in Empfang für eine Führung durch die Räume.
Was zuerst auffällt, ist ein gewisses kreatives Chaos, wenig Licht und der Charme dessen, was uns vor ein paar Jahren in die RABRYKA geführt hat. Ein Fahrrad hängt von der Decke, einige Zettel mit Hausregeln und Veranstaltungshinweisen zieren Tür und Wand im Eingangsbereich. Am Ende des großen Gewölberaumes sehen wir Licht und das vertraute Geräusch einer Kreissäge.
„Das ist die Holzwerkstatt. Da gehen wir als letztes hin“, sagt Egmond und führt uns über eine breite Treppe in die erste Etage.
Impulsiver Deckenstuck, charmant umhüllt von Spinnenweben wecken eine Mischung aus Ehrfurcht und Horrorfilmszenario. So alt und unberührt die Decken aussehen, so wird in den Räumen deutlich, dass im Haus sehr viel Leben herrscht. Wir sehen Tresen mit Flyern, einen Barbereich, Sitzecken und einen Veranstaltungsraum, der mit Ofen beheizt wird. Insgesamt seien nur zwei Räume im ganzen Gebäude beheizbar. Alle anderen müssten improvisieren, so Egmond.
Er führt uns durch verwinkelte Räume, vorbei an selbstgebauten Sofas und Türen, die Ateliers und Proberäume vermuten lassen. Nach ein paar kleineren Treppen aufwärts geht es eine längere Treppe abwärts zurück ins Erdgeschoss. An einer Tür die Aufschrift „Hackerspace“. Dafür sind wir gekommen.
In einem kleinen Raum mit allerhand Computerstuff und Kabeln an der Wand, steht zentral ein Heizpilz. Einer, wie man ihn aus der Gastronomie kennt. Darunter sitzt an einem langen Tisch Lukas an seinem Laptop in einer Videokonferenz, die er für uns beendet. Wir entdecken alte Bildschirme, elektronische Messgeräte, Wasserkocher, ein Sofa, Flyer und Plakate an den Wänden und eine Ecke mit Getränkekisten. Alles um kreativ loszulegen. Angrenzend ein Raum mit unterschiedlichen Möglichkeiten, die uns aus dem Makerspace bekannt vorkommen. Werkbänke, Werkzeugwand, erste Hilfe Kasten, Absaugung, Kreissäge, … Ganz ähnlich unserer Holzwerkstatt, nur etwas kleiner. Was auffällt ist eine Holz-CNC-Fräse und ein sehr großes Bedienelement einer Metallfräse. Unter einer Plastiktüte verbirg sich ein 3D Drucker, der unsere Kinnladen herunterklappen lässt. Er macht eher den Eindruck, als wäre er noch aus dem 19. Jahrhundert. Das Wort „rustikal“ beschreibt ihn sicher am besten und damit passt er sehr gut in den gesamten Freiraum.
Dagegen wirkt die massive Metallfräse schon ganz anders. Sie sei ein Geschenk der Hochschule in Zittau gewesen. Seit dem Aufbau hat sie allerdings nie jemand benutzt, weil das recht komplex und fehleranfällig sei.
Gemeinsam mit Lukas und Sebastian, der sich mittlerweile per Videokonferenz auf dem Tisch stehend hinzugeschalten hat, unterhalten wir uns über Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Erfolge der beiden Makerspaces.
Der wohl gravierendste Unterschied, neben den räumlichen Gegebenheiten, ist die Tatsache, dass der Hackerspace in Zittau gar keine Förderung im Hintergrund hat und rein ehrenamtlich agiert. Das birgt einige Herausforderungen in der Koordination von interessierten Menschen. Auch der Wunsch nach mehr Sichtbarkeit und Annahme der Menschen in Zittau wird dadurch nicht erleichtert. Nichtsdestotrotz erzählen uns die drei von ca. 15 Menschen, die regelmäßig die Räume nutzen. Wer mitmachen möchte, schreibt einfach eine Mail oder meldet sich, wie Lukas einst, im Mailverteiler des Hackerspace an, bis einem das Thema soweit interessiert, dass man vorbeikommt.
Dann wird Stefan und mir eine wohl unumstößliche Regel erklärt: „Dienstag ist Hackertag.“ Dienstag ist DER Tag für Makerspaces. Uns hatte es bislang gewundert, dass alle anderen Makerspaces auch Dienstag (und teilweise Mittwoch) geöffnet haben. Scheinbar hat das Tradition - und wir wussten es nicht einmal. Dennoch alles richtig gemacht. YES!
Nach über einer Stunde Erfahrungsaustausch und Notizen auf beiden Seiten geht’s zum Abschluss unserer Führung in die Holzwerkstatt. Also wieder die lange Treppe hoch, Flure, Stuck, Tresen passierend, Treppen runter, um verschiedene Ecken herum und schon kommen wir wieder am Ausgangspunkt an. Wir gehen auf die Holzwerkstatt zu. Rechts von uns ist noch etwas Freifläche mit selbstgebauten Skatelementen.
In der Holzwerkstatt begegnen uns allerlei Schnitzereien, eine Musikanlage, verstaubte Spinnennetze unter der alten Holzdecke, ein selbstgebautes Lagerpodest und hochkant stehende Holzplatten für Baumaßnahmen. Trotz all des Wirrwarrs und Holzstaub gibt es eine tolle technische Spielerei im Raum: Über ein selbstgebautes Chiplesegerät werden die großen Maschinen freigeschalten. Das sichert, dass sie niemand bedient, der/die keine Einweisung darin erhalten hat. Eine tolle Sache, die wir auch gerne hätten.
Vor der Tür verabschieden wir uns von Egmond, der durch den Regen in den Zittauer Gassen verschwindet. Auf der halben Stunde Rückweg nach Görlitz haben wir definitiv sehr viel auszuwerten und zu besprechen.
Wofür können wir dankbar sein? Welche Arbeitsatmosphäre bringt welche Konsequenzen mit sich? Was bedeutet es, ehrenamtliche Strukturen zu führen? ...
Fragen, die wir mitnehmen werden, wenn wir andere offene Werkstätten der Region besuchen. Weitere Stationen in den nächsten Wochen werden sein: Das Tagwerk Bautzen, der Makerspace Niesky sowie die Station junger Techniker und die Telux in Weißwasser. Hoffentlich entstehen dadurch sehr starke Netzwerke.
Wer aus der Zittauer Ecke kommt und Lust auf den kreativen Ort vom Freiraum e.V. hat, findet hier weitere Informationen und Kontakte:
https://www.werkraum.space/